Diese Frage kann philosophisch erscheinen (und das ist sie sicher auch ein bisschen). Aber trotzdem. Wer darauf eine Antwort findet, hat auch gleich Argumente für die Größe seines Kulturbeutels parat. Schon motiviert? Los geht’s – wir werden Sie auch mit Sokrates verschonen, versprochen.

Allerdings lassen wir Lévinas zu Wort kommen! Dieser zeitgenössische Philosoph schrieb 1982: „Dem Antlitz des Anderen kann nicht mit Gleichgültigkeit begegnet werden.“ Was bedeutet das? Heißt das, dass das Gesicht uns einem anderen Menschen gegenüber moralisch verpflichtet, dass er die Beziehung zu seinem Gegenüber impliziert?

Auf bestimmte Weise ja. Wenn man einem anderen Menschen nicht Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, sein Blick nicht den unseren kreuzt, dann ist das Gegenüber nur eine Wesen aus Haut und Knochen, lediglich eine Gestalt. Es ist einfacher, „hinter dem Rücken“ zu reden oder einer Person „in den Rücken“ zu fallen. Das Gesicht und vor allem die Augen sind der Ort, an dem das Leben sich befindet, zumindest sind sie der Spiegel, der die Seele reflektiert. Damit wären wir wieder bei unserem Eingangs-Statement! QED*!

 

 

Aber warum geben die Augen uns das Gefühl, in die Seele des Anderen blicken zu können? Warum wird ihnen – und Mascara, Lidschatten und Eyeliner – eine solche Bedeutung beigemessen ?

Sie sind unser Tor zur Welt, eines der wichtigsten Mittel, die uns zur Verfügung stehen, um alles, was uns umgibt, zu entdecken und mit der Umwelt zu interagieren. Etwa so wie der Mund und die Hände.

Aber Vorsicht! Bei den Augen kann man nicht tricksen! Im Gegensatz zu Gesten oder Worten, ist es extrem schwierig, seinen Blick zu kontrollieren. Er ist genau so schwer zu beherrschen, wie unsere Gefühle und Emotionen. Darüber hinaus ist das eine sehr stark mit dem anderen verbunden. Es ist, als gäbe es eine Schnellverbindung zwischen den Zuständen der Seele und dem Zustand der Augen.

Denken Sie einmal an das letzte Mal, als Sie geweint haben. Sie haben sich bestimmt nicht entschlossen, inmitten eines Meetings in Tränen auszubrechen. Wissenschaftler untersuchen den physiologischen Mechanismus, der diesem Phänomen zugrunde liegt. Sie beschreiben einen sehr primären, sehr instinktiven Prozess. Tränen funktionieren tatsächlich wie ein Ablaufventil bei maximalem Stress.

Bei starkem Druck (starker Traurigkeit oder intensiver Freude) aktiviert das Gehirn eines seiner besten Regulierer: den Hypothalamus. Dieser regt wiederum den Gesichtsnerv an, also die Tränendrüsen. Die Produktion der Tränen steigert sich und übersteigt leicht den natürlichen Feuchtigkeitsbedarf der Augen. Und da dieser Überfluss abgeleitet werden muss … werden die schlechten Erinnerungen gleich mit ausgeschwemmt!

Manche Signale sind subtiler und wissenschaftlich schwierig zu erklären.

Die Synergologie untersucht alle nonverbalen Kommunikationsformen und unterscheidet zwei Arten von Mitteilungen, die über die Augen erfolgen: Eine Art ist bewusst und berücksichtigt soziale Normen, die andere Art ist instinktiv und äußert sich, ohne dass wir es wollen oder uns dessen bewusst sind (im Unterschied zu Tränen, die zwar schwierig zu kontrollieren, aber einfach wahrzunehmen sind). Zur ersten Kategorie gehört zum Beispiel Augenzwinkern oder Blinzeln, das ein heimliches Einverständnis oder eine Anziehungskraft zwischen den Gesprächspartnern erzeugt. Im Gegensatz dazu gehören die Fixierung der Augen, die Vergrößerung der Pupillen, die Blickrichtung und Zuckungen zur zweiten Kategorie. Auch die Bewegung der Augenbrauen, das Zusammenkneifen der Augenlider und die Umstände der Begegnung gehören natürlich ebenfalls dazu.

Ein gepflegter Blick gehört also zu einer – sowohl innerlich als auch äußerlich – gepflegten Person! Rechtfertigen Sie sich also nicht mehr (allzu sehr) dafür, dass Sie jeden Morgen zwanzig Minuten zum Schminken brauchen. Nutzen Sie gegebenenfalls einfach dieses schlagfertige Argument:

„Schatz, du möchtest ja wohl kaum, dass meine Seele dunkle Ringe bekommt, oder? “

Darauf findet so schnell niemand ein Gegenargument!